
VOM AUEN-IDYLL ZUM SEUCHENHERD – UND ZURÜCK
Die Emscher, ein rechter Nebenfluss des Rheins im Ruhrgebiet, ist mit ihren nur 83,1 Kilometern Länge zwar deutlich kürzer als der Main, aber sie könnte dem Frankenfluss dennoch ein Vorbild sein. Bereits in den Jahren 2010 und 2011 war sie mit ihrem Einzugsgebiet Flusslandschaft des Jahres.
Kaum ein Fluss litt so sehr unter der Industrialisierung wie die Emscher. Doch die vor 30 Jahren begonnene Renaturierung ist ein großer Erfolg. Seit dem 1. September 2022 sind die umfangreichen Maßnahmen offiziell abgeschlossen. Seitdem wurden mehr als fünf Milliarden Euro in das Generationenprojekt investiert. Unter anderem wurden vier moderne Großkläranlagen in Dortmund, Bottrop, Duisburg und Dinslaken gebaut. Nun entstehen an ihrem Ufer neue Auen-, Erholungs- und Wohngebiete.
Einen großen Erfolg feierte das Projekt 2021: Durch den Ausbau des Abwassersystems gelangt seit Ende des Jahres kein Abwasser mehr in den Fluss. Eine Zeitreise durch die Zerstörung einer Flusslandschaft und ihre Wiederbelebung:
1800-1900: STERBEN DER EMSCHER
Bis ins frühe 19. Jahrhundert ist die Emscherregion eine dünn besiedelte, fisch- und vogelreiche Auenlandschaft. Im Zuge der Industrialisierung steigt die Bevölkerung rapide an. In Dortmund zum Beispiel wächst sie zwischen 1800 und 1930 von weniger als 5.000 auf über 500.000. Immer mehr Abwässer gelangen in den Fluss, hinzu kommen zum Teil giftige Einleitungen aus Bergbau und Industrie. Ende des 19. Jahrhunderts ist der Fluss tot. Anwohner*innen klagen über die stinkende Brühe. Krankheiten wie Cholera, Typhus und Ruhr breiten sich immer wieder aus.
1899: GRÜNDUNG DER EMSCHERGENOSSENSCHAFT
Im Jahr 1899 wird die Emschergenossenschaft von Anrainerstädten und -gemeinden, Bergbau und Industrie als erster deutscher Wasserwirtschaftsverband gegründet. Sie soll die hygienischen Zustände verbessern, die Region vor Hochwasser schützen und die Interessen von Bergbau und Wirtschaft berücksichtigen. Da die Kohleförderung immer wieder zu Bergsenkungen führt, entscheidet man sich gegen den Bau einer unterirdischen Kanalisation.
1991: BESCHLUSS ZUM EMSCHER-UMBAU
Die Idee der Renaturierung der Emscher gewinnt an Popularität. Zur Bundesgartenschau in Dortmund wird 1991 ein kurzer Abschnitt der Emscher entlang des Westfalenparks in einen naturnahen Zustand zurückversetzt. Im gleichen Jahr wird beschlossen, das gesamte Emschersystem umzubauen.
2014: BAUBEGINN FÜR NEUE EMSCHER-MÜNDUNG
An der Emscher-Mündung in den Rhein soll eine Auenlandschaft entstehen. Dafür wird der Flusslauf ein weiteres Mal nach Norden verschoben, diesmal um 700 Meter. Statt wie bisher über einen Wasserfall läuft das Wasser künftig über eine Sohlgleite in den Rhein. Dadurch können Fische von einem Fluss in den anderen gelangen.
2021: FERTIGSTELLUNG PUMPWERK OBERHAUSEN
Ein entscheidender Beitrag zur Säuberung der Emscher von Abwässern ist die Inbetriebnahme des Pumpwerks Oberhausen 2021. Deutschlands größtes Schmutzwasserpumpwerk kann bis zu 16.500 Liter Abwasser pro Sekunde hochpumpen – aus einer Tiefe von rund 40 Metern.
WO STEHT DAS PROJEKT HEUTE?
"Am Oberlauf der Emscher bis Dortmund Deusen und an den bereits renaturierten Zuflüssen können sie heute schon beobachten, wie verschwundene Tier- und Pflanzenarten zurückkehren."
Uli Paetzel, Vorstandsvorsitzender Emschergenossenschaft
Die Eröffnung der neuen Emscher-Mündung in den Rhein, ein weiterer Meilenstein des Emscher-Umbaus, wird im September 2022 gefeiert.
WIE SIEHT ES AN DER EMSCHER IN 20 JAHREN AUS?
Entlang der Emscher werden in den nächsten Jahren weitere Auenflächen angelegt, die dem Hochwasserschutz dienen, zugleich aber auch Wildtieren und Pflanzen Lebensraum bieten. 2024 stellt die Emschergenossenschaft zum Beispiel in Oberhausen die Auenlandschaft Holtener Bruch fertig, kündigt Paetzel an. „In den nächsten 20 Jahren werden an der Emscher viele neue Lebensräume für Tiere und Pflanzen entstehen, aber auch Erholungsflächen für die Menschen. Außerdem werden bis dahin nachhaltige Wohnquartiere an der Emscher gebaut, die den Menschen hohe Lebensqualität bieten.

Zum Öffnen des WDR-Beitrags bitte hier klicken.
Quelle: https://metropole.ruhr
Textbearbeitung: Marc Heinz